Musikproduktion
Zu Gast in der Audiosuite
Nein, Stefan Antonin hat keine Kochmontur an. Sein Handwerkszeug sind auch keine Töpfe, Herdplatten, Kasserollen, Schneebesen oder Pfeffermühlen. Und doch kann man die Arbeit des Tonmeisters von Rondeau Production durchaus mit der eines Sternekochs vergleichen: Auch er „kocht“ für ein anspruchsvolles Publikum und die Firma, deren Tonstudio seine „Küche“ ist, hat einen exzellenten Ruf, den ein verdorbener Fisch oder eine versalzene Suppe schnell und vor allem nachhaltig ruinieren könnte. Wie ein Koch auf beste Zutaten, frisches Gemüse, gutes Fleisch, würzige Kräuter, eben „gutes Material“ angewiesen ist hängt auch die Kunst von Stefan Antonin von dem ab, was er „auf dem Markt“ findet. Viele Chöre und Vokalensembles behaupten von sich, genau dieses Material liefern zu können. Diejenigen, die hier nicht zu viel versprechen, sind gern gesehene und vor allem gehörte Partner von Rondeau Production.
Wenn die Mikrofone aufgestellt sind und Antonin auf „record“ drückt, beginnt für ihn der Marktbesuch: Dann wird gesammelt, verworfen, auf Vorrat gekauft – bis der Tonmeister sicher ist, dass er alle Zutaten für ein schmack- und nahrhaftes „Gericht“ zusammenhat. Ab geht’s dann in die Küche respektive ins Tonstudio, wo diese Zutaten auf ihre Verarbeitung warten. Antonin nennt den Raum allerdings lieber Regieraum oder Audiosuite. Statt aus Herd, Ofen und Spüle besteht sein Arbeitsplatz aus einem Computer und guten Boxen, die in einem schalldichten Raum in der Leipziger Petersstraße stehen. Hier schottet sich der Tonmeister für seine Tätigkeit akustisch von der Außenwelt ab, um aus der für den Laien unübersichtlich erscheinenden Zahl von Tonspuren, den einzelnen Takes, Durchläufen und Partien ein stimmiges Ganzes zu erstellen. Man könnte auch sagen: zu komponieren, denn Antonins Arbeit ist durchaus die eines Künstlers. Dass sein Produkt nicht nur kunstvoll, sondern eben auch künstlich ist, weiß jeder, der eine CD hört. Wenn es sich nicht um einen Live-Mitschnitt handelt, bei dem jeder Huster und jedes Rascheln brav unterdrückt wurde, gilt es, statt eines Tondokuments ein Kunstwerk für den Genuss an der heimischen Stereoanlage zu kreieren. Das Ergebnis einer CD-Aufnahme hat später kaum mehr etwas mit dem Eindruck eines Live-Konzerts zu tun: Stehen beim einen das momentane Klangerlebnis, die unmittelbare Wirkung der Musik und der optische Kontakt mit dem Künstler im Vordergrund, ist es hier die Konzentration auf den reinen Klang, die Antonin in den Fokus seiner Arbeit im Studio rückt. Nachdem die Aufnahmen auf Festplatte gebannt sind geht es nun darum, technisch und musikalisch zu arbeiten: Tonspuren werden geschnitten, Geräusche entfernt. Und nach und nach entsteht: Musik.
Vor Augen und Ohren hat Stefan Antonin neben dem technisch sauberen Klang vor allem eines: Das, was später auf der CD zu hören ist, will den Hörer ergreifen. Natürlich kann der Tonmeister hier auf technische Hilfsmittel wie beispielsweise Hall zurückgreifen. Vielleicht kann er auch den einen oder anderen Ton anheben, um einen sauberen Übergang zum nächsten Take zu ermöglichen. Die Interpretation aber ist nicht (mehr) zu beeinflussen. Das „Ergreifende“ muss vor den Mikrofonen passiert sein. Stefan Antonin hat die Partitur eines aufgenommenen Stücks vor sich: Wer daraus jetzt noch musizieren wollte, der müsste an unzähligen Notizen und Zahlen vorbeispielen. Wie mit der Lupe hört sich der Tonmeister das Material an, prüft, welche Takes er verwenden kann, wo Brüche zu überbrücken sind und welche technischen Tricks angewendet werden können. Tempi können um bis zu fünf Prozent erhöht oder gedrosselt, die Tonhöhen in hoher Auflösung um bis zu einem halben Ton gehoben oder gesenkt werden. Wobei: Gelogen wird nicht, denn was Rondeau Production auf CD bannt, kann der Künstler auch in der Realität leisten. Schließlich würde doch keiner mittels Photoshop einen malerischen Sonnenaufgang aufs Foto eines total verregneten Urlaubs zaubern. Dennoch schätzt Stefan Antonin seine Arbeit realistisch ein: Eine Tonaufnahme ist in seinen Augen immer eine Illusion. Die zu schaffen ist allerdings Kennerarbeit! Für fünf Minuten Vokalmusik braucht Antonin etwa eine Stunde. Und für 60 Minuten etwa 1.000 Schnitte.
Eine Herausforderung ist es für ihn dabei immer wieder, die Balance zwischen Raum und Klang zu meistern. Natürlich könnte man technisch die Aufnahme aus einer kleinen Kapelle in einen großen Dom „verlegen“; für Rondeau steht jedoch vor allem die Authentizität einer Wiedergabe auch auf CD im Mittelpunkt. Wie wird das Ensemble abgebildet? Hört man die Aufstellung beispielsweise im Rund auch auf dem Tonträger? Das Faszinierende an seiner Arbeit besteht für den Tonmeister darin, Musik durch eine Aufnahme neu entstehen zu lassen, dem Künstler dabei zu helfen, im Moment der Aufnahme das Maximum aus sich herauszuholen und dies dann im Tonstudio entsprechend aufzubereiten und zu konservieren. Stefan Antonin kann hierbei wortwörtlich aus dem Vollen schöpfen: Von jedem Take hat er mehrere Alternativen, aus denen er die beste und stimmigste aussucht. Das setzt ein großes Vertrauen des Künstlers voraus, der sich in dieser Selektion dann ja wiedererkennen muss.